Bayerisches Mittelstandsforum der AfD fordert angesichts des Brexit den Standort Deutschland zu stärken
Kempten. Die Ankündigung des formellen Brexit-Antrags für kommenden Dienstag durch die britische Premierministerin und Äußerungen von Finanzminister Philip Hammond über „ökonomisch rationalen“ Alternativen zur EU waren Anlass für das bayerische Mittelstandsforum der AfD, die unternehmenssteuerliche Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu analysieren. Der Sprecher des Mittelstandsforums Peter Felser zog danach eine negative Bilanz für die Bundesregierung. In Deutschland werden Unternehmen mit durchschnittlich 30 Prozent an direkten Ertragssteuern belastet, wenn man die Gewerbesteuer mit einbezieht. In manchen Städten mit besonders hohen Gewerbesteuersätzen wie München und Frankfurt ist die Belastung sogar bei knapp 40 Prozent. Nur Italien mit 31,5 Prozent, Frankreich mit 38 Prozent und Belgien mit 34 Prozent nehmen ihren Unternehmen durchschnittlich noch mehr ab. Die unmittelbaren Nachbarn wie Österreich und Niederlande liegen heute bei 25 Prozent, Dänemark bei 22 Prozent und Polen und Tschechien bei 19 Prozent. Der EU-Durchschnitt liegt heute bei 22 Prozent Unternehmenssteuerbelastung.
Allein dieser Vergleich reiche laut Felser aus, um zu zeigen, dass die Politik nicht weiter untätig sein dürfe. Zusätzlich werfen der anstehende Brexit und die Unternehmenssteuerreform III der Schweiz weitere Schatten voraus, die Deutschland im steuerlichen Wettbewerb noch weiter abfallen lassen. Ähnlich wie der britische Finanzminister Philip Hammond zur britischen Steuerpolitik nach dem Brexit, äußerte sich auch Peter Felser. Deutschland müsse sich rational und ökonomisch vernünftig verhalten. Die deutsche Steuerpolitik darf nicht wie in der ganzen Ära von Bundesfinanzminister Schäuble weiter untätig bleiben, betonte Felser und forderte eine grundsätzliche Neuausrichtung der deutschen Unternehmensbesteuerung. Dazu gehöre zunächst die vollständige Abschaffung der Gewerbesteuer als Unikat in der EU und als gerade für Mittelständler zusätzliche bürokratische Belastung ohne Mehrwert und deren Integration in die Körperschaftssteuer.
Eine Steuererklärung mit einer einheitlichen Bemessungsgrundlage müsse reichen. Den Gemeinden aber auch den Bundesländern müsse zusätzlich zur Stärkung der Steuerautonomie ein Hebesatzrecht ähnlich wie bei der heutigen Gewerbesteuer eingeräumt werden. Dies stärke nicht nur die steuerliche Autonomie und Selbstverantwortung der Bundesländer und Gemeinden, diese könnten auch flexibler auf konjunkturelle Schwankungen reagieren und ihre Standortattraktivität individuell erhöhen. Insgesamt dürfte aber dann die Spannbreite steuerlicher Belastungen nach einer solchen Reform zwischen 12 und 22 Prozent und damit insgesamt wieder unterhalb der mitteleuropäischen Durchschnittsbelastung von derzeit 19 Prozent liegen.
Nach dem Brexit-Votum kündigte die britische Regierung an, die Unternehmenssteuerbelastung von derzeit 20 Prozent auf 15 Prozent zu reduzieren. Österreich erwägt als Reaktion darauf ab nächsten Jahr eine Senkung von 25 Prozent auf 20 Prozent und Luxemburg will den derzeitigen Satz von 29 Prozent auf 19 Prozent senken. Ungarn, das zwar infrastrukturmäßig und bei hohem Mangel an qualifizierten Arbeitskräften sonst nicht wettbewerbsfähig mit Deutschland ist, will die Unternehmenssteuern von 19 Prozent auf neun Prozent senken. Innerhalb der EU läge Deutschland damit weit abgeschlagen mit Frankreich und Italien in den Spitzenrängen höchster Steuerbelastung.
Aber nicht nur von den EU-Ländern droht Wettbewerb. Die Schweiz stimmt am 12. Februar über die Unternehmenssteuerreform III (USR III) ab. Diese sieht zwar eine Abschaffung der Steuerprivilegien von Holding- und Domizilgesellschaften vor und spült damit tendenziell mehr Geld in die Staatskassen. Die Schweizer kompensieren diesen Wegfall an Steuerprivilegien spätestens ab 2019 mit einer generellen Senkung der Unternehmenssteuern insgesamt. So werden die nach Schweizer Lesart „Hochsteuerkantone“ wie Zürich und Bern die Steuerbelastung von rund 21,5 Prozent auf 16 bis 18 Prozent senken. Grenznahe Kantone wie Basel, Schaffhausen, Thurgau und Sankt Gallen werden dann nach bisher 18 bis 22 Prozent Steuersätze von 12 bis 16 Prozent aufweisen. Schon heute kann man in den Grenzregionen Basel, Schaffhausen und Kreuzlingen eine starke Tendenz zur Ansiedlung deutscher Mittelständler aber auch größerer Unternehmen sehen, die hochqualifizierte Arbeitsplätze mit hoher Wertschöpfung auch mit deutschen Arbeitnehmern auf der Schweizerischen Seite schaffen.
Dasselbe Phänomen erkennt man im niederländischen Grenzgebiet von NRW, an der Grenze zu Luxemburg und in Südbayern gegenüber dem österreichischen Salzburg. Sollte insbesondere Österreich die Steuersätze auf 20 Prozent senken wird sich der Sog bayerischer Unternehmen nach Österreich verstärken. Mit der USR III in der Schweiz wiederholt sich das auch im baden-württembergischen Grenzgebiet. Am Ende des Tages verliert Deutschland damit in erheblichem Maße sowohl Arbeitsplätze, Sozialabgaben und Steuern.