,,Das hat doch nichts mit dem Islam zu tun.“

Diese von westlichen Politikern und Journalisten nach von Muslimen in Europa und zuletzt gar in Sibirien verübten Terroranschlägen immer wieder eilends ausgesprochene Behauptung, wird in einem lesenswerten FAZ-Interview vom 19.8. ein weiteres Mal als Wunschdenken dechiffriert.
Eindringlich warnt Kyai H.Y.C. Staquf, Generalsekretär des Obersten Rates der größten muslimischen Vereinigung Indonesiens, der Nahdlatu Ulama, die westliche Öffentlichkeit im Gespräch mit Marco Stahlhut, die in der islamischen Orthodoxie bzw. in den Grundtexten des Islams angelegte Militanz gegenüber Nicht-Muslimen, die eben durchaus Fundamentalismus und Terror hervorbringen könne, weiter zu ignorieren oder zu verharmlosen. Dass in der islamischen Orthodoxie neben der Legitimität von Gewalt gegenüber Andersgläubigen, auch das Ziel eines universalen islamischen Staat, in dem lediglich islamische Gesetze zu gelten haben, gesetzt sei, führe unvermeidlich zu Konflikten zwischen dieser Tradition verpflichteten Muslimen und säkularisierten Staaten westlicher Prägung.
Damit weist Staquf auf, dass es mit der von Vertretern der Altparteien ständig wiederholten Zitation des grundgesetzlich verbrieftem Grundrechts auf Religionsfreiheit nicht getan ist. Vielmehr ist der im Grundgesetz verwendete Religionsbegriff mit dem des klassischen Islam nicht kompatibel. Schließt man davor die Augen, wird man weder dem Selbstverständnis des säkularen Staates, für den die Religionsfreiheit eben kein Super-Grundrecht, das selber Recht und Macht setzen könnte, darstellt, noch dem orthodoxen Islam selbst gerecht.
Eine politische Klasse, die diesen offensichtlichen Zwiespalt aus Konfliktangst, Unwissen oder Desinteresse am Islam ignoriert oder verdrängt, wird ihrer Aufgabe keinesfalls gerecht.
Staquf selbst setzt sich klar für eine Historisierung der islamischen Tradition ein und scheut nicht davor zurück, die Vernunft als Maßstab für die heutige Verbindlichkeit von Koran und Hadith zu anzugeben. Ob dieser Ansatz dem Selbstverständnis der Texte gerecht wird und einen gläubigen Muslim nicht in Aporien seines Glaubens führen muss, sei hier dahingestellt.
Wichtig(er) ist die im Interview von Staquf angeführte Instrumentalisierung der islamischen Religion durch Staaten wie Saudi-Arabien und Iran, die durch die Ausbreitung und massive finanzielle Unterstützung von Wahhabismus und Schiiten eigene politische Interessen verfolgten und (das gelte v.a. für Saudi-Arabien) für die Segregation, Ablehnung und Feindschaft muslimischer Gläubigen gegenüber den westlichen Gesellschaften mitverantwortlich sei.
Will der FAZ-Redakteur bei so viel klarer Sprache seinen Gesprächspartner zuletzt noch auf die Gefahr eines jeder Form des Islam feindlich gegenüberstehenden rechten Randes hinweisen, so wird an der Antwort deutlich, wie marginal dieser reflexhaft beschworene Rand für Staquf tatsächlich ist: Eindringlich warnt er das ,,linksliberale“ Establishment, die Zusammenhänge zwischen traditionellem Islam, Gewalt und Fundamentalismus weiter zu ignorieren. Dass er mit dieser Warnung zu Gehör kommen möge, ist nicht nur der einheimischen Bevölkerung, sondern auch jenen muslimischen Mitbürgern zu wünschen, die die Vorteile eines weltanschaulich und religiös neutralen Staates seit langem zu schätzen wissen.

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